Die Staffelübergabe an die nächste Generation ist in einem Familienunternehmen eine große Herausforderung. Viele Familienunternehmen scheitern an dieser Aufgabe. Aber warum? Diverse Faktoren spielen dabei eine Rolle – betriebswirtschaftliche, juristische, aber auch und vor allem psychologische Faktoren auf gebender und nehmender Seite. Dieser Beitrag soll den Versuch unternehmen, den Übergeber und seine Beweggründe besser zu verstehen.

Eine Unternehmung, Macht und Ansehen über Jahre hinweg aufzubauen ist die eine herausfordernde Aufgabe. Das Loslassen all dieser Dinge die andere Seite der Medaille. Sie erfordert eine Revidierung des Selbstkonzeptes eines Unternehmers. Betrachtet man die Stereotype eines Unternehmers so ist dieser extrovertiert, emotional stabil, gewissenhaft, leistungs- und machtmotiviert sowie kontrollüberzeugt. Auch wenn sicherlich nicht jeder Unternehmer alle diese Merkmale in sich vereint, so kann eine Vielzahl dieser Eigenschaften bei den meisten Unternehmern beobachtet werden. Das Loslassen des Unternehmens und die Abgabe der Führung ist aus Sicht des Übergebers mit einem Statusverlustes des angesehenen Unternehmers und Rollenwechsel vom Unternehmer zum alten Menschen verbunden. Die Stereotype eines alten Menschen steht jedoch im selbstwertmindernden Gegensatz zu der eines Unternehmers: senil, inaktiv, krank, abhängig und unpraktisch. Vor dem Hintergrund der oben erwähnten Grundtendenzen des Unternehmers ist der Rollenwechsel keine besonders erstrebenswerte Zukunftsaussicht. Folglich stellt sich nicht so sehr die Frage, ob der Unternehmer loslassen kann, sondern vielmehr, warum er es überhaupt tun sollte.

Als Argument könnte dem Übergeber der Abschied von der Berufstätigkeit als Entwicklungsaufgabe nahe gebracht werden. Mit Entwicklungsaufgabe ist eine Aufgabe im Rahmen der persönlichen Entwicklung und Reifung des Menschen gemeint, die mit ihrer Bewältigung zu einer Veränderung führt und bei positiver Bewältigung in aller Regel zu mehr Zufriedenheit führt. Der Begriff bezieht sich auf die Vorstellung, dass in Entsprechung zu den inneren und äußeren Prozessen, die während des Älterwerdens ablaufen, in jedem Alter bestimmte Aufgaben gelöst werden müssen. Wenn das gelingt, wird die Persönlichkeit stabilisiert und ein hohes Maß an Zufriedenheit erlangt. Ein Entwicklungsziel des mittleren Erwachsenenalters sollte die Förderung der nächsten Generation sein, zu der Fürsorge und freizügiges Geben gehören. In einem guten Zusammenspiel von Angleichung - durch problemorientiertes Handeln wird die Umwelt verändert, um die eigenen Ziele zu erreichen - und Anpassung - durch das Aufgeben nicht erreichbarer Ziele, die Reduktion des Anspruchsniveaus und die positive Neubewertung besser erreichbarer Ziele – erklärt sich, warum es Menschen im hohen Alter oftmals gelingt, sich trotz zunehmender Verluste wohl zu fühlen.

Das berufliche Selbstkonzept bestimmt Identität, Orientierungs- und Lebenssinn des Übergebers und kann daher nur mit erheblichen Anstrengungen aufgegeben werden. Hilfreich ist hierbei insbesondere die Entwicklung, Auswahl und Festlegung persönlichkeitskongruenter Ziele, auf die dann besonderes Augenmerk zu legen ist. Nach der Festlegung kann die Entwicklung von und Investition in die begrenzten Ressourcen erfolgen, um altersbedingen Verlusten entgegenzuwirken. Wichtig in diesem Prozess ist es, dass sich alle Beteiligten die oben verdeutlichten Zusammenhänge bewusst machen. Offenheit, Ehrlichkeit und Selbstreflexion beim Übergeber sowie Verständnis und Unterstützung der anderen Beteiligten sind weitere Grundvoraussetzungen in diesem Prozess und tragen maßgeblich zum Gelingen der Staffelübergabe bei.

Sollten Sie Überlegungen zur Nachfolge und Staffelübergabe in Ihrem Unternehmen haben, lassen Sie sich durch eine professionelle Begleitung unterstützen. Eine gute, wertschätzende und nachhaltige Kommunikation in diesem Prozess hilft Ihnen, zufriedenstellende Lösungen für alle Beteiligten zu finden.

Ihre Annette Plambeck-Warrelmann